CIO -

der Chief Innovation Officer und

das  Neuerungsgeschehen heute


 

Abstract 

 

Große, sehr bekannte, gut geführte und erfolgreiche Unternehmen mit ausgereiftem Produktprogramm und hoher Marktpräsenz sind heute bedroht. Ursache: disruptive Innovationen und der dadurch erzeugte Wandel im Kunden- und Nutzerverhalten. Veränderungen sind folglich zwingend. 

 

Kapital lässt sich beschaffen. Organisatorische Gebilde und Kulturen sowie Kosten- und Vertriebsstrukturen sind dagegen nicht kurzfristig zu verändern. Am flexibelsten und schnellsten 
kann der kreative Mensch reagieren. Deshalb setzt die vorliegende Arbeit hier an; Beispiel: CIO. 

Pro- und Contra-Argumente werden diskutiert. 

 

Die bisherigen Trends in Richtung immer größer, weiter, höher, schneller und teurer werden ersetzt durch: kleiner, leichter, billiger, wirtschaftlicher, flexibler und dennoch leistungsfähiger. 

 

In traditionsreichen Stamm-Branchen gibt es erste Warnsignale gemäß dem „Innovator´s Dilemma“. 

 

Inhalt

 

Ausgangslage; Ziele, Wege, Mittel;

Innovations-Haus, Synopsis des Innovierens;

Der Mensch und der Chief Innovation Officer CIO;

Diskurs, These, Antithese, Synthese, Fragebogen, US-Literatur;

Disruptiver Wandel:

Werte, Ideen, Verhalten, Kultur, Unternehmensgröße;

Strukturen, Ressourcen, Prozesse;

Innovator´s Dilemma: Erfolgsdruck, Wettbewerbsdruck,

Marktdruck,Technologiedruck, Innovationsdruck, Ergebnisdruck;

Beispiele; Zusammenfassung.

 

 

Ausgangslage

 

Unser Wissen, unsere Erkenntnisse und all unsere Erfahrungen zum komplexen Phänomen Innovation stammen aus der Vergangenheit. Konfrontiert sind wir jedoch in der Gegenwart mit einer hoch-turbulenten Welt.  Ein Bündel von Herausforderungen umgibt uns: unsichere Märkte, schnelle Veränderungen, neue Geschäftsideen, Technologiesprünge, aggressive Investoren u.a.m.

Ist das, was wir gelernt und erprobt haben, hierfür nützlich oder brauchbar?

Was tun in dieser multifaktoriellen Gemengelage? – 

Doch zunächst: wo stehen wir heute? 

 

In den Wirtschaftswissenschaften gilt die vielfach belegte Überzeugung: für rohstoffarme Länder wie Deutschland sind Bildung und Kreativität der Menschen und die Innovationskraft der Unternehmen die wirkmächtigsten Generatoren für Wachstum und Wohlstand.

D.h.: Innovation hat für unser Leben eine außerordentlich große Bedeutung.

 

Und wie entstehen Innovationen und warum? Hierzu gibt die Studie des Autors Auskunft: 

 

„Wie und warum entstehen Innovationen? - Zu Theorie und Praxis 

 der Genese und Diffusion von Neuerungen“ (2017). 

 

Anmerkung: Der US-Forscher Paul Romer hat 2018 den Wirtschafts-Nobelpreis für seine Arbeit: „Wie entstehen Innovationen“ erhalten.

 

Überblickt man den gesamten Innovationsprozess  und begreift man ihn als Kontinuum, so weitet sich unser Verständnis. Dabei ist es hilfreich, den Prozess in Phasen zu gliedern, etwa wie folgt:
 

Inkubation – Konkretisierung – Evaluierung – Machbarkeit – Geburt – Ertüchtigung – frühes Geschehen – Einführung in den Markt – Kernphase mit Aufstieg, Reife, Erfolg – Spätphase mit Abstieg, Niedergang, Verlöschen.

 

Nach herrschender Meinung gibt es zwei Theorien zur Entstehung von Innovationen: die Push-Theorie und die Pull-Theorie. Neu hinzugetreten ist eine dritte Triebkraft, die „Gen-Theorie“ des Autors; siehe:

 

„Können Innovationen evolutionsbedingt Gene als Quelle haben“?  (2017).

 

Was von der Fachwelt zum Veröffentlichungs-Zeitpunkt skeptisch aufgenommen worden ist, erhielt ein Jahr später eine wissenschaftliche Begründung: drei internationale Forschergruppen haben 2018 in „Cell“ publiziert, dass das Gen „Notch2NL“ eine Schlüsselerfindung für die Evolution des mensch-lichen Intellektes ist. (University of California, Université Libre / Brüssel und Max-Planck-Institut / Dresden).

 

 

Ziel

 

Und wie erreichen wir, was wir wollen? Unser Ziel ist es, langfristig und wiederholt erfolgreiche Innovationen effektiv, effizient und fallspezifisch  zum Nutzen und mit Vorteilen für die Beteiligten zu schaffen.
 

Ohne strukturiertes Arbeiten gelingt das allerdings nicht; und viel Erfahrung braucht es auch.

 

 

Wege

 

Um dorthin zu kommen, wohin wir wollen,  wurde das 

 

Mehrwert-Innovationsmodell entwickelt; 

mit dem Menschen als Markenkern im Mittelpunkt 

und vernetzten sozio-ökonomisch-technischen Regelkreisen 

als Alleinstellungsmerkmal.

 

Mit seinen 34 Elementen ist es ein realitätsnahes, flexibel anzuwendendes Abbild des vollständigen Innovationsprozesses und ein Novum gegenüber allem Bisherigen. Kennzeichnend ist auch, dass neben den sachlichen Vorgängen das emotions-gesteuerte Verhalten der Akteure und ihr sitituations-bezogenes Handeln einbezogen sind; siehe:

 

           „Das Mehrwert-Innovationsmodell; realitätsnahes Abbild 
           und Hilfsmittel für komplexe Neuerungsprozesse“ (2017).

 

Bis dahin war es Standard und allgemein übliche Praxis, nur die sachlichen Inhalte des Innovierens sowie das, was als objektiv galt, zu berücksichtigen. Bei einer solch gravierende Reduktion des tatsächlichen komplexen Geschehens darf es nicht verwundern, dass eklatant hohe Flopraten die „Quittung“ sind; verbunden mit Fehlallokationen an Manpower, Geld- und Finanzmitteln, sowie mit Markt-, Kunden- und Zeitverlusten.

 

 

Mittel

 

Mitarbeiter in Unternehmen sind damit beauftragt, oder sind qua Funktion bzw. Position dazu verpflichtet, Neuerungen zu generieren; gewöhnlich unter Zeitdruck. Was tun sie? Meist das, was „immer schon so gemacht wurde“, was sie gelernt und geübt haben, was sie gehört oder per Schnell-Seminar erfahren haben, was ein Kollege ihnen berichtet hat usw., usw. Umfassendes Wissen über das Vorhandene haben sie i.d.R. nicht.

 

Hätte der Betreffende den Überblick, wäre unser „Durchschnitts“- oder „Normal“-Innovator mit einem ziemlichen Problem konfrontiert: Was nehmen angesichts von mehreren hundert Methoden, Verfahren, Modellen und Tools, die im Verlauf von Jahrzehnten ungeordnet entstanden sind? Siehe hierzu:

 

           „Highlights of Innovation.- Neueste Erkenntnisse im Überblick“

           (2018); Kap. Wissenschaft und Forschung.

           https://www.innovationmitconsilium.de

 

Was ist für die vorliegende Aufgabe zwingend erforderlich, was wäre überflüssiger Aufwand, was optimal? Wo liegen die Grenzen des betreffenden Hilfsmittels, welches sind seine Stärken? Wieviel Zeit brauche ich, die Feinheiten heraus zu finden?

 

Wer im Tagesgeschäft steht, kann sich damit nicht befassen; er braucht direkt Nutzbares. Bei fehlenden Kriterien-Katalogen oder Entscheidungs-Tabellen sind das Fragen für Spezialisten oder Top-Experten.  Hier tut sich ein Feld für Verbesserungen auf.

 

Ein weiters Mittel ist das „Innovations-Haus“, eine Verbildlichung der Synopsis des Innovierens; siehe diese Webseite (unter "Themen"). Es bringt den Denk-Raum, den Strategie-Raum, den Kultur-Raum und den Handlungs-Raum übersichtlich in ein Gesamt-Tableau zusammen.

 

 

Der Mensch

 

Bei den Prozessmodellen der Innovation war es bis zum Jahr 2016 die Regel: der Mensch kam darin nicht vor, obwohl es ohne ihn keine Innovation geben kann. Adäquat ist es noch heute bei den konkreten Tätigkeiten des Innovierens: das Tun und Handeln des Menschen wird in der einschlägigen Fachliteratur nicht thematisiert. Man tut so, als ob es nicht existieren würde.

 

Das gilt für das gesamte Spektrum: angefangen vom Planen über das Organisieren, das Auswählen und Probieren bis hin zum Entscheiden, Ausführen, Kontrollieren. Das emotions-gesteuerte Verhalten und das situations-bedingte Handeln des Menschen spielen angeblich keine Rolle. Das ist nicht nur seltsam, sondern fern der Realität.

 

Kommunikation in Gruppen oder Teams „funktioniert“ ohne dass derartiges Verhalten einfließt, nicht. 

 

Beim „homo oeconomicus“ haben die Wirtschaftswissenschaften ihre Auffassungen angepaßt: die Macht des Faktischen (Verhaltens-Experimente in großer Zahl) hat sich gegenüber der ausschließlich vernunft-gesteuerten (einseitigen) Logik durchgesetzt.

In der Innovations-Wissenschaft, in der Innovations-Lehre und in der Innovations-Praxis hat dieser Wandel zu mehr Pluralität noch nicht stattgefunden.

Anmerkung: Google liefert zur Eingabe „Innovation und Mensch“ zwar Ergebnisse, aber nur in sehr allgemeiner Art nach dem Motto: „Der Mensch im Mittelpunkt“; Beispiele: Fraunhofer und acatech. 
Ein komplettes Aktions- oder Reaktions-Tableau findet man nicht.

 

Demgegenüber wird das Thema Kreativität seit vielen Jahren aus unterschiedlichen Richtungen ausgiebig behandelt. Hier bedarf es keiner Ergänzungen.

 

 

Der Chief Innovation Officer (CIO)

 

In diesem Kapitel wird der Schritt vollzogen vom Neutrum Mensch zum Individuum Person; und zwar über die Zwischenstation Funktion.

 

Anmerkung zum Akronym: Andere Autoren verwenden die Bezeichnung CINO, um Verwechselungen mit dem Chief Information Officer (auch CIO) zu vermeiden.

Der Autor bevorzugt trotzdem CIO. Begründung: wegen des einheitlichen Erscheinungsbildes der eingeführten Vorstands-Bezeichnungen wie etwa

CEO: Chief Executive Officer und CFO: Chief Financial Officer.

 

Ein Diskurs

Steht im Aufsichtsrat eines Unternehmens die Frage an, ob es sinnvoll, zweckmäßig oder nötig ist, die Funktion eines CIO zu schaffen, könnte das Pro und Contra so aussehen (eine Auswahl):

 

These

Die Befürworter argumentieren:

-        das Thema ist in der Unternehmensspitze verankert

-        das signalisiert: Innovation hat bei uns oberste Wichtigkeit

-        bietet die höchste Schlagkraft bei der Verwirklichung der Ideen

-        vereint alle Kräfte und ermöglicht damit größtmöglichen Erfolg

-        Innovation braucht Führung

-        nach innen und außen wird demonstriert: wir wollen Neues.

 

Antithese

Die Gegner sagen:

-        Innovation lebt von der Vielfalt der Ideen

-        Innovation lebt von der Breite der Aktivitäten

-        Innovation lebt von der Buntheit der Beiträge

-        Innovation will keine Regeln und Zuständigkeiten

-        auch Zufälle müssen möglich sein

-        Zentralisierung und Fokussierung sind innovations-schädlich.

 

Synthese

Das Ergebnis nach einer Abwägung der Argumente könnte so lauten:

-        der CIO entwickelt zusammen mit den anderen Mitgliedern des Vorstandes sowie aus-
         gewählten Experten der eigenen Mannschaft die Innovations-Strategie des Unternehmens    

-        der CIO koordiniert die taktischen Maßnahmen

-        der CIO sorgt dafür, dass die erforderlichen Ressourcen und Tools bereit gestellt werden

-        der CIO richtet ein Gesamt-Monitoring mit Erfolgskontrolle für alle Vorhaben ein

-        der CIO veranlasst die notwendigen Schulungen sowie Fort- und Weiterbildungs-Maßnahmen 
         der Beteiligten

-        der CIO verwendet sich dafür, dass externe Fördermittel eingeworben werden

-        der CIO vermittelt Kontakte zu Dritten (Start-Ups, Beratern etc.)
-        der CIO spornt die Mannschaft zu Höchstleistungen an; er verschafft Belobigungen, Anerkennung 
         und Innovationspreise.

 

Soweit das allgemeine Bild, das – gemäß Konzeption – personalisiert und mit Beispielen belegt werden sollte. Dazu wurden die wenigen CIO´s der DAX- und MDAX-Unternehmen, die es gibt, persönlich angeschrieben mit der Bitte, für ein Interview (telefonisch oder schriftlich) zur Verfügung zu stehen. 

 

Leider kam es in keinem einzigen Fall dazu. Schade; denn wenn Erfahrungen nicht weiter gegeben werden, können Andere nicht lernen.

 

Fragebogen:

1. Wie wird die eigene Aufgabe beschrieben? (nach innen, nach außen)

2. Was genau soll erreicht werden?

3. Wie wird im Detail vorgegangen?

4. Werden Kennziffern, Indikatoren, Kriterien verwendet? (welche)

5. Gibt es eine spezielle Strategie, das „Innovator´s Dilemma“ zu vermeiden / zu umgehen?

6. Wie wird die Transformation des Unternehmens im Hinblick auf ein Bündel von

    Herausforderungen bewerkstelligt (unsichere Märkte / disruptive Geschäftsideen / 

    Technologiesprünge / aggressive  Investoren) institutionell, strukturell, kulturell, personell?

7. Werden Ergebnisse routinemäßig und der Gesamterfolg in Abständen evaluiert und wie?

 

Aus der US-Literatur wurden zwei Beiträge ausgewählt:

„The Chief Innovation Officer, Redefined”

https://medium.com/fahrenheit-212 und

“The success or failure of an innovation is rarely about the idea” by 

Phil MCKinney; https://philmckinney.com

 

Danach haben “43 % der großen Organisationen einen Executive für Innovation formell installiert”. (Anmerkung: „groß“ ist ziemlich unscharf).

Es wird hervorgehoben, dass

-        wir eine bessere Job-Beschreibung für den Chief Innovation Officer brauchen

-        institutionelles Lernen verankern sollten

-        ein Controlling für das Innovations-Portfolio benötigen

-        einen Set an innovativen Fähigkeiten und Fertigkeiten in den Unternehmen schaffen müssen.

                        

 McKinney (Autor von: „The most 50 Innovatives“) stellt fest, dass es den Chief Innovation Officer
seit 1998 gibt und er definiert, welche Eigenschaften ein CIO haben sollte: 

Führungsformat, Glaubwürdigkeit, Sensibilität für Trends, ein Gespür für richtiges Timing, Standfestigkeit zur Überwindung von Gegenwind und Schwierigkeiten auch in der eigenen Organisation.

 

 

 

Disruptiver Wandel

 

Im Kapitel „Ausgangslage“ sind einige der derzeitigen außerordentlichen Herausforderungen genannt. Sie lassen sich unter dem Oberbegriff „disruptiver Wandel“ zusammenfassen. 

 

Kennzeichen für den Bruch mit dem Bisherigen: neu, ungewohnt, noch nicht da gewesen, plötzlich, von einschneidender, auch zerstörerischer Wirkung. Folge: wir haben keine „Rezepte“, wie reagiert werden könnte oder sollte. Was also kann ein Unternehmen, eine Organisation tun?

Drei Wege stehen nach Clayton M. Christensen, Harvard Business Press (2016) „The Innovator´s Dilemma“ offen:

 

a)     über die Person  (mit Werten, Ideen, Verhalten)

 

Werte sind Kriterien, mit deren Hilfe die Priorität von Entscheidungen getroffen wird; egal, ob es sich um die Attraktivität von Märkten, die Bedeutung von Kunden oder die Nützlichkeit von Produkten handelt.

„Je größer und komplexer eine Organisation wird, um so wichtiger werden Werte für das Management.“ (S.164)

Man könnte auch sagen: Es muß glaubwürdig kommuniziert werden, was Sinn und Zweck des Unternehmens sind.

 

„Erfolgreiche Firmen lassen sich in zwei Dimensionen ausmachen: manche entscheiden sich, maximale Gewinne zu erwirtschaften; für andere ist die Größe eines Marktes das ausschlaggebende Kriterium.“ (S:165)

 

Ideen zu generieren, ist oft beschrieben worden (mit allen Facetten). Dieser Punkt wird der Vollständigkeit halber erwähnt; ist hier aber nicht Gegenstand der Erörterung.

 

Verhalten, also die in der Organisation von deren Mitgliedern tatsächlich gelebte Unternehmenskultur hat entscheidenden Einfluß auf den Erfolg und das Gedeihen eines Unternehmens. Das ist unstrittig. In der Praxis kommt es auf das WIE an.

 

Ein sehr gutes Beispiel soll hier demonstrieren, was genau gemeint ist.

Die Fa. Covestro schreibt auf ihrer Global Corporate Webseite:

„Wir wollen das gesamte kreative Potential unserer vielfältigen globalen Belegschaft nutzen; 
in jedem Arbeitsbereich und über alle Zuständigkeitsebenen hinweg. 

 

Wir wissen, dass Innovation vor allem dort entsteht, wo Menschen zu unkonventionellen Ideen 
ermutigt werden und wo sie die Freiheiten und Ressourcen zur Verfügung gestellt bekommen, 
um diese umzusetzen.“

Quelle: https://www.covestro.com/de/innovation/culture

 

b)     über die Organisation  (Größe, Struktur, Ressourcen, Prozesse)

 

Die Größe eines Unternehmens korreliert oft / meist, aber nicht immer und schon gar nicht zwangsläufig mit anderen Parametern. Dafür gibt es Beispiele und Gegenbeispiele. Gängige Parameter sind die Bedeutung im Allgemeinen (Firmen-Name, Logo, Produkt-Namen), die Bedeutung als Wirtschaftfaktor (regional / überregional / national / international), als Arbeitgeber, als Steuerzahler, 
als Auftraggeber, als Abnehmer, als Akteur an den Finanzmärkten (Aktienkurs / Dividende) etc., etc.

 

Gegenbeispiele sind etwa die „Hidden Champions“ i.d.R. mittelständische Weltmarktführer. 

 

Die Strukturen eines Unternehmens korrelieren üblicherweise mit der Größe und der Branche des Unternehmens, seinen Technologien, Produkten und Märkten. Unter Wettbewerbern gibt es Ähnlichkeiten.

 

Ressourcen sind der sichtbarste Faktor, der beschreibt, was ein Unternehmen kann oder nicht kann“ (S. 162). Dazu zählt Christensen:  Menschen, Ausrüstung, Technologien, Marken, Informationen, Finanzmittel und die Beziehungen zu Abnehmern, Lieferanten, Händlern. Zu den Ressourcen gehören jedoch außerdem Patente, Gebrauchsmuster und Daten, die der Verfasser nicht erwähnt.

 
„Organisationen transformieren ihre Ressourcen in Erzeugnisse und Dienste von größerem Wert. Die Muster, wie sie das tun (Interaktion, Koordination, Kommunikation und Entscheidungsfindung) nennt man Prozesse.“

 

„Die Aufgaben, für die solche Prozesse gestaltet wurden, befähigen eine Organisation, dies möglichst effizient zu tun. Das bedeutet aber auch: für gänzlich andersartige  Aufgaben ist diese Organisation nicht fähig bis unfähig.“

 

 

a)     über beides

 

Für den Mehrfachansatz sprechen nicht nur die nachstehend aufgeführten Befunde der Untersu-chungen von Christensen, sondern auch, dass die Trefferwahrscheinlichkeit höher ist als bei einer Einzelmaßnahme. Hinzu kommt der meist immense Zeitdruck; wenn also die Umstände es nicht zu-lassen, eine Aktion zu planen, durchzuführen und die Wirkung zu kontrollieren, bevor man die nächste Aktion startet. I.E.:

 

-        „Bei disruptiven Innovationen hatte kein Unternehmen einen routinierten Prozess, 
          diesen zu managen.“

-        „Die disruptiven Produkte versprachen geringeren Profit pro verkaufter Einheit.“

-        „Die disruptiven Produkte entsprachen nicht den Werten des Unternehmens.“ 

Und: „Manager, deren Unternehmen mit dem Wandel konfrontiert sind, müssen drei Fragen beantworten:

 

-        haben wir die notwendigen Ressourcen?

-        hat die Organisation die benötigten Prozesse?

-        welche Werte sind erforderlich, um erfolgreich zu sein?“

 

 

Innovator´s Dilemma

 

In Kurzfassung ist das eine Zwickmühlen-Situation mit vielen Ursachen. Alle führen zum gleichen Ergebnis: der Innovator innoviert sich in die Enge und u.U. letzlich aus dem Markt heraus.

Der Kipp-Punkt ist nicht starr, sondern gleitend und wird im Eifer gewöhnlich nicht erkannt. So bleibt die Kernfrage, ab wann die Bereitschaft der Abnehmer, dem bisherigen Trend zu folgen, überstrapaziert wird, i.d.R. unbeantwortet, bis es zu spät ist.   

 

Das Dilemma entsteht durch das Befolgen von Trends.

Die Folgen können für Unternehmen und ganze Branchen fatal sein. Die Zwänge sind vielgestaltig:

 

Erfolgsdruck

-        Unternehmen müssen Erfolg haben; andernfalls werden sie von Konkurrenten überholt oder überrollt

-        Manager müssen erfolgreich sein; ist das nicht der Fall, werden sie ersetzt

-        Investoren müssen Profit liefern, sonst verschwinden sie vom Markt.

 

Wettbewerbsdruck

-        der Trend geht in eine Richtung; die heißt: höher, größer, weiter, schneller, besser 

-        disruptiv ist die Gegenbewegung, die heißt: kleiner, leichter, billiger, flexibler 
         und trotzdem leistungsfähiger

-        der Wettbewerbsdruck kommt von immer mehr Seiten und wird zunehmend härter.

 

 

Marktdruck

-        bisher nicht bediente Absatzmärkte werden erschlossen

-        vorhandene Absatzmärkte werden ausgeweitet

-        neue Absatzmärkte werden generiert.

 

Technologiedruck

-        es entstehen neue Materialien mit bisher ungekannten Eigenschaften

-        neue Barbeitungs- und Verarbeitungsverfahren werden einsatzreif und bieten
         bisher nicht gekannte Möglichkeiten.

 

Innovationsdruck

-        es entstehen neue Geschäfts-Ideen und – Modelle und zwar in erstaunlich kurzer Zeit 
         und mit hoher Geschwindigkeit.

                        

 Ergebnisdruck

-        der Zwang zu größeren Umsätzen, höheren Margen, besseren Renditen und Dividenden führt zum Handeln in die Richtung von High-End-Erzeugnissen (was nicht unendlich funktionieren kann).

                        

 

 Beispiele

 

1. Der Airbus A 380 demonstriert z. Zt. auf  spektakuläre Weise, dass ein Jahrzehnte währender Trend zur Größe an seinem Ende angelangt ist.

 

Die Abnehmer machen das etablierte, sich perpetuierende  Muster nicht mehr mit. Denn neue Flugzeuge sind kleiner, leichter, billiger, wirtschaftlicher und flexibler einsetzbar. 

Laut F.A.Z. vom 15.02.2019 das „Ende eines Irrtums“.

 

Dabei hatte es bei der Einführung des 380 geheißen, man sei gegenüber dem Wettbewerb zu spät, 
was beim reinen Zahlenvergleich stimmt: Erstflug Boeing 747: am 09.02.1969, Erstflug A 380: am 27.04.2005.

Inzwischen hatte sich allerdings die Markt- und Kundensituation verändert!

So muß man heute in der Rückschau feststellen: ein Scheitern in der Milliarden-Klasse. 

 

2. PKW´s gibt es in allen Größen, Formen und Ausprägungen von einer großen Zahl weltweit konkurrierender Anbieter; für die unterschiedlichsten Anforderungen und Märkte.

 

Extra´s werden in außerordentlicher Variationsbreite angeboten (von nützlich bis überflüssig), so dass ihr Preis leicht ein Drittel des Fahrzeug-Grundpreises ausmacht, oder diesen Anteil sogar übersteigt. Derzeitiger Trend: „Computer auf Rädern.“ D.h. die Grundfunktion „fahren“ ist nicht mehr entscheidend und steht unter hohem Wettbewerbsdruck. Folge: man verlagert das Ertragspotential.

 

Das gleiche Muster wird zum x-ten Mal perpetuiert; ist das kreativ?

Warnhinweise sind da: die monatlichen Zulassungszahlen im Vergleich zum Vorjahresmonat am Bespiel des Januar 2019 für einige Modelle:

 

VW – Golf         - 22,9 %       BMW  1er    - 42,5 %       Porsche   - 53,8 %

VW – Passat    - 40,0 %       BMW  2er    - 28,2 %

VW – Up            - 30,2 %       BMW  5er   - 34,1 %

 

Quelle: Marktbericht “auto  motor  sport” 5/2019; S. 23

 

Das kann man nur als dramatisch bezeichnen und dürfte schwierig sein, etwa mit geopolitischen Ereignissen (USA, China, Brexit) zu bemänteln (Standard-Argumentation für die breite Masse).

Am 18.03.2019 titelt die F.A.Z. auf S. 17 gar: „Das Auto-Beben“.

Zusammenfassung

 

Alles, was wir über Innovation wissen, stammt aus der Vergangenheit. 

Ob sich das Gelernte auch für die hochturbulente, von tiefgreifenden Veränderungen gekennzeichnete Gegenwart eignet, ist ungewiß. 

 

Wenn bestehende Produkte, bekannten Absatzmärkte und eingeübte Technologien ausgereizt sind, liegen Disruptionen in der Luft. In einer solchen Situation ist es vernünftiger, wissenschaftlich vorzugehen, als etwa zu würfeln. D.h.:

 

-        die Erscheinungen beobachten und verstehen, was warum geschieht

-        die dahinter liegenden Zusammenhänge und Wirkmechanismen ergründen, hinterfragen und beschreiben

-        aus den Beobachtungen und Überlegungen Erkenntnisse gewinnen

-        das Ergebnis verdichtet formulieren und visualisieren
-        die richtigen Schlußfolgerungen ziehen

-        das erarbeitete Wissen für Anwender nutzbar machen.

 

Auf diese Weise ist die Gen-Theorie entstanden, das Innovations-Phänomen erstmals in Worte gefasst und das Innovations-Paradigma entschlüsselt worden. Die Methodik war auch hilfreich bei der Erarbeitung des Innovations-Hauses und dem Mehrwert-Innovationsmodell (siehe frühere Arbeiten).

 

In dieser Arbeit geht es um die Themen: Chief Innovation Officer, disruptiver Wandel und 
das Innovator´s Dilemma.

 

Im ersten Abschnitt werden die Argumente für und gegen die CIO-Funktion dargelegt und es wird gezeigt – auch unter Einschluß der US-Literatur – dass man der Synthese viel Positives abgewinnen kann.

 

Im zweiten Abschnitt werden die Befunde der Untersuchungen von Clayton M. Christensen mit den eigenen Erfahrungen verglichen; und zwar an Hand der prinzipiell möglichen Wege für Veränderungen;  was geschehen kann über Personen (Werte, Idee, Verhalten) oder über die Organisation (Struktur, Ressourcen, Prozesse) oder über beide Wege. Am Schluß stehen Fragen, die Manager beantworten müssen, wenn sie mit dem Wandel konfrontiert sind.

 

Im dritten Abschnitt wird das „Innovator´s Dilemma“ behandelt: mit Gründen, Kennzeichen und Beispielen. Letztere kann man nur als dramatisch bezeichnen. 

In dieses Bild passt auch, dass „rund 90 % aller börsen-notierten Unternehmen seit Jahren nicht mehr in der Lage sind, einen Wachstumskurs mit überdurchschnittlichen Dividenden aufrecht zu erhalten“.

Quelle: Clayton M. Christensen: „The Innovator´s Solutions”; Vahlen 2018; S. 8

 

Schlußfeststellung:

Man muß das Dilemma verstehen, um es vermeiden oder umgehen zu können.

Denn eines ist gewiß: Diejenigen, die auf ihren Innovations-Fahrplänen Überschriften stehen haben wie etwa:

„Weiter so, denn wir wissen, wie es geht; wir sind Experten und der Erfolg gibt uns recht“ oder

„Im Gleichschritt mit dem Wettbewerb, die machen es ja auch so“ oder

„Nur keine Experimente; die sind riskant und teuer“,

manövrieren sich aus „ihren“ Märkten oder werden rücksichtslos in´s Abseits geschickt.

 

Folgen: der Abstieg von ehemals erfolgreichen Unternehmen verläuft in fünf Phasen (gemäß Collins): Arroganz des Erfolges, undiszipliniertes Streben nach mehr, Warnsignale werden übersehen / überhört, Auswechseln des Managements und Restrukturierungen, Abwerfen von Ballast und Konzentration auf die Kernkompetenzen.

Quelle: brand eins, 2019 (6. Jahrg.)Heft 11; S. 12